Einleitung: Ein gemeinsamer Weg in die klimaneutrale Wärmeversorgung
Am 07. Oktober 2025 fand die zweite öffentliche Informationsveranstaltung zur Kommunalen Wärmeplanung (KWP) für die Gemeinden Poppendorf, Roggentin und Thulendorf statt. Dieser Bericht fasst die zentralen Ergebnisse und Diskussionen des Abends zusammen und beleuchtet die strategische Bedeutung dieses Planungsprozesses für alle Bürgerinnen und Bürger. Die Kommunale Wärmeplanung ist kein isoliertes Projekt, sondern ein entscheidender Baustein auf dem Weg zu einer sicheren, bezahlbaren und klimaneutalen Wärmeversorgung in unserer Region.
Als durchführende Experten führten Dr. Malte Schümann und Conrad Gierow von der Theta Concepts GmbH durch den Abend. Die Veranstaltung bot ein wichtiges Forum, um über den aktuellen Stand der Planungen zu informieren, Potenziale aufzuzeigen und die drängendsten Fragen der Anwesenden direkt zu beantworten. Entdecken Sie im Folgenden die Hintergründe, die detaillierten Analyseergebnisse und die konkreten Zielszenarien, die an diesem Abend vorgestellt wurden.
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Der gesetzliche Rahmen: Warum die Wärmeplanung jetzt entscheidend ist
Die Notwendigkeit einer kommunalen Wärmeplanung ergibt sich nicht aus einer lokalen Initiative, sondern ist die direkte Konsequenz übergeordneter Klimaziele. Sowohl der European Green Deal, der Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent machen will, als auch das Bundes-Klimaschutzgesetz, das Klimaneutralität für Deutschland bis 2045 vorschreibt, bilden den verbindlichen Rahmen. Die Wärmeplanung ist das strategische Werkzeug der Kommunen, um diesen Wandel vor Ort zu gestalten.
Zwei Gesetze sind dabei von zentraler Bedeutung für jeden Immobilieneigentümer:
Wärmeplanungsgesetz (WPG): Es verpflichtet die Kommunen, einen strategischen Plan für die zukünftige Wärmeversorgung zu erstellen. Dieser Plan zeigt auf, welche Gebiete sich für Wärmenetze, grüne Gase oder individuelle Heizungslösungen eignen.
Gebäudeenergiegesetz (GEG): Bekannt als "Heizungsgesetz", schreibt es vor, dass neu eingebaute Heizungen zu mindestens 65 % mit erneuerbaren Energien betrieben werden müssen. Diese "65 %-Regel" gilt:
Seit dem 01.01.2024 für Neubauten in Neubaugebieten.
Ab dem 30.06.2028 für alle Bestandsgebäude und Neubauten in Baulücken in den Gemeinden des Amtes Carbäk, wenn eine Heizung ausgetauscht wird.
Ein wesentlicher wirtschaftlicher Treiber der Wärmewende ist der ansteigende CO₂-Preis für fossile Energieträger wie Erdgas und Heizöl. Prognosen gehen von einer Verzehnfachung der Kosten von ca. 30 € auf bis zu 300 € pro Tonne CO₂ aus. Für einen durchschnittlichen Haushalt mit einem Gasverbrauch von 20.000 kWh könnte dies allein bei den CO₂-Abgaben eine Mehrbelastung von 1.000 € pro Jahr oder mehr bedeuten. Die Erschließung regionaler, erneuerbarer Potenziale ist somit nicht nur ein Beitrag zum Klimaschutz, sondern auch ein Weg zu langfristiger Preisstabilität.
Von diesen übergeordneten Rahmenbedingungen ausgehend, wurde in der Veranstaltung die spezifische Situation in unseren Gemeinden analysiert.
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Analyse vor Ort: Heutige Versorgung und zukünftige Potenziale
Um zu entscheiden, wohin die Reise gehen soll, muss man wissen, wo man steht. Die Bestands- und Potenzialanalyse bildet daher die Grundlage für jedes realistische Zielszenario. Sie zeigt, wie aktuell geheizt wird und welche alternativen Wärmequellen in unserer Region verfügbar sind.
Womit wird heute geheizt?
Die Analyse der aktuellen Versorgungslage zeichnet ein klares Bild: Die Wärmeversorgung in den meisten Ortslagen wird durch Erdgas dominiert. Die beiden Hauptversorger sind die Stadtwerke Rostock AG (SWRAG) und die Hansegas GmbH. Eine Ausnahme bildet die Ortslage Fresendorf, in der vorwiegend mit Flüssiggas geheizt wird.
Welche Möglichkeiten bietet unsere Region?
Die Untersuchung der regional verfügbaren erneuerbaren Energien zeigt ein differenziertes Bild. Einige Technologien bieten ein hohes Potenzial, während andere als weniger geeignet eingestuft werden.
| Wärmequelle | Eignung / Potenzial |
| Oberflächennahe Geothermie | Gut |
| Luftwärme (für Wärmepumpen) | Gut |
| Solarthermie (auf Dachflächen) | Mittel |
| Abwärme aus Biogasanlagen | Mittel |
| Feste Biomasse (z.B. Waldholz) | Gering |
| Industrielle Abwärme (von YARA) | Gering |
Eine besondere Rolle nimmt der vieldiskutierte Wasserstoff (H₂) ein. Laut den Experten von Theta Concepts wird er für die Wärmeversorgung von Gebäuden als zu teuer und wirtschaftlich unrentabel eingestuft. Es sei nicht zu erwarten, dass Wasserstoff in diesem Sektor eine wesentliche Rolle spielen wird.
Diese Analyseergebnisse sind der Ausgangspunkt für die Entwicklung eines Zielszenarios, das aufzeigt, wie eine klimaneutrale Wärmeversorgung bis 2045 gelingen kann.
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Das Zielszenario: Mögliche Wege für die zukünftige Wärmeversorgung
Das Zielszenario ist das Herzstück der Wärmeplanung. Es ist keine starre Vorschrift, sondern ein strategischer Kompass, der aufzeigt, welche Versorgungsoptionen für welche Gebiete am wahrscheinlichsten und wirtschaftlichsten sind. Dies schafft eine wichtige Orientierung für zukünftige Entscheidungen - sowohl für die Gemeinden als auch für jeden einzelnen Bürger. Drei Hauptoptionen wurden identifiziert:
Option 1: Dezentrale Wärmeversorgung (Individualversorgung)
Die Analyse ergibt, dass eine dezentrale Versorgung - beispielsweise durch Wärmepumpen in Kombination mit Photovoltaik - für das gesamte Planungsgebiet gut geeignet ist. Dieser starke Fokus auf individuelle Lösungen ist ein direktes Resultat des exzellenten regionalen Potenzials für sowohl oberflächennahe Geothermie als auch Luftwärme, wie die Analyse in Abschnitt 3 zeigt. Die Siedlungsstruktur bietet zudem ausreichend Platz für die Installation solcher Systeme. Konsequenterweise legt diese Option einen starken Fokus auf die Eigeninitiative der Immobilieneigentümer. Die Aufgabe der Gemeinden und des Amtes wird es sein, diesen Prozess durch gezielte Beratung, Förderleitfäden und die Schaffung von Musterlösungen zu unterstützen.
Option 2: Transformation des Gasnetzes (Grüne Gase)
Für die von der SWRAG versorgten Gebiete (Vogtshagen, Poppendorf, Thulendorf, Neu Fienstorf, Sagerheide) wird die Transformation des bestehenden Gasnetzes als Prüfgebiet ausgewiesen. Der Plan der SWRAG sieht vor, ihr Netz schrittweise auf 100 % Biomethan umzustellen. Der Vorteil für die Bürger liegt auf der Hand: Technisch würde sich an der Hausanlage nichts ändern, bestehende Gasheizungen könnten weiterbetrieben werden. Die große Herausforderung besteht jedoch darin, dass die Hansegas GmbH bisher keine entsprechenden Pläne für ihre Netzgebiete verfolgt. Um den Bürgern im SWRAG-Gebiet die notwendige Planungssicherheit zu geben, ist eine verbindliche Aussage des Unternehmens unerlässlich. Diese muss einen konkreten Transformationspfad mit Mengengerüsten sowie eine klare Infrastruktur- und Beschaffungsstrategie beinhalten, um als verlässliche Entscheidungsgrundlage zu dienen.
Option 3: Wärmenetze (Fernwärme)
Das Potenzial für den Neubau von zentralen Wärmenetzen wird im gesamten Planungsgebiet als insgesamt gering bewertet. Die Errichtung solcher Netze gilt als "auf absehbare Zeit unwahrscheinlich". Grund hierfür ist vor allem die mangelnde Wirtschaftlichkeit aufgrund der zu geringen Wärmedichte in den meisten Siedlungsgebieten. Zwar wird die theoretische Möglichkeit, die Abwärme des Unternehmens YARA in Poppendorf zu nutzen, als Prüfgebiet ausgewiesen, doch die technische und wirtschaftliche Umsetzung wird von den Experten als sehr schwierig eingeschätzt.
Das Zielszenario zeigt somit klar in Richtung individueller Lösungen und einer möglichen "grünen" Gasversorgung. Doch was bedeutet das konkret für die anstehenden Entscheidungen von Hauseigentümern?
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Praktische Handlungsempfehlungen für Eigentümer
Die Wärmewende findet nicht nur auf strategischer Ebene statt, sondern auch in jedem einzelnen Gebäude. Die folgenden Empfehlungen bieten eine konkrete Hilfestellung für Immobilieneigentümer, um die richtigen Entscheidungen zur richtigen Zeit zu treffen.
Energetische Gebäudesanierung
Der energetische Zustand eines Gebäudes ist entscheidend für den zukünftigen Wärmebedarf. Je nach Baujahr werden unterschiedliche Maßnahmen empfohlen:
Bau bis 1970: Eine detaillierte Betrachtung ist nötig, um das Gebäude in einen zeitgemäßen energetischen Standard zu bringen. Eine Bewertung der gesamten Gebäudehülle (Dach, Fassade, Fenster, Kellerdecke) ist dringend anzuraten.
Bau nach 1970: Betrachten Sie den energetischen Standard der gesamten Gebäudehülle. Vermutlich gibt es Schwachstellen, die saniert werden können, insbesondere Fenster und der oberste Gebäudeabschluss (Dach/Dachboden).
Bau nach 1980: Eine Kontrolle der Fenster und der Dämmung des obersten Gebäudeabschlusses ist sinnvoll, um ggf. vorhandene energetische Schwachstellen zu kennen.
Bau nach 1990: Der energetische Standard ist in der Regel bereits akzeptabel.
Für Sanierungsmaßnahmen gibt es attraktive Fördermittel von BAFA und KfW. Besonders empfehlenswert ist die Erstellung eines individuellen Sanierungsfahrplans (iSFP) durch einen zertifizierten Energieberater. Allein für diesen Plan gibt es bereits hohe Zuschüsse, und die Umsetzung der darin empfohlenen Maßnahmen wird zusätzlich gefördert.
Austausch der Heizungsanlage
Auch beim Heizungstausch ist der richtige Zeitpunkt entscheidend:
Anlage bis 10 Jahre: Es besteht in der Regel kein Handlungsbedarf.
Anlage bis 15 Jahre: Machen Sie sich erste Gedanken, welche neue Heizung in Frage kommen könnte. Eile ist nicht geboten.
Anlage bis 20 Jahre: Überlegen Sie sich konkret, welche Heizung bei einer Erneuerung in Frage kommt. Im Falle eines Ausfalls sollten Sie ein Konzept bereit haben.
Anlage bis 30 Jahre: Es besteht dringender Handlungsbedarf. Tauschen Sie die Heizung kurzfristig aus und nutzen Sie die aktuell hohe Förderung.
Technologien, die die 65 %-Regel pauschal erfüllen, sind unter anderem:
Elektrische Wärmepumpen
Stromdirektheizungen
Solarthermische Anlagen
Heizungen auf Biomasse-Basis
Wärmepumpen-Hybridheizungen
Solarthermie-Hybridheizungen
Insbesondere zu Wärmepumpen wurden gängige Unklarheiten ausgeräumt: Studien zeigen, dass sie auch in Bestandsgebäuden effizient arbeiten (Jahresarbeitszahlen von 2,5 bis 3,8) und der oft gefürchtete Heizstab im Schnitt nur zu 1,9 % zur Wärmeerzeugung beiträgt.
Beratung und Unterstützung
Niemand muss diese Entscheidungen alleine treffen. Für eine unabhängige Beratung stehen folgende Anlaufstellen zur Verfügung:
Verbraucherzentrale Mecklenburg-Vorpommern (Standort Rostock)
Kostenfreie Beratung nach Terminvereinbarung
Hotline: 0800 - 809 802 400
Servicetelefon: 0381 208 70 50
Regionale Energieberater (zertifizierte Experten für Sanierungsfahrpläne und Förderanträge)
Landeszentrum für erneuerbare Energien MV (LEEA)
Die Empfehlungen zeigen, dass es bereits heute klare Wege und Unterstützungsangebote gibt. Der rege Austausch im Anschluss an die Präsentation machte das große Interesse der Bürger deutlich.
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Aus der Diskussion:
Der Dialog mit den Bürgern ist ein zentraler Bestandteil des Planungsprozesses. Die nachfolgende Zusammenfassung der wichtigsten Fragen und Antworten aus der Diskussionsrunde spiegelt die zentralen Anliegen der Anwesenden wider.
Wann genau wird das Gasnetz der SWRAG denn nun auf 100 % Biomethan umgestellt? Antwort: Ein geringer Anteil an Biomethan ist bereits heute im Netz vorhanden. Die Anteile werden stufenweise erhöht. Gesetzlich ist ab 2045 ein Betrieb mit 100 % erneuerbaren Gasen vorgeschrieben. Kunden können bereits heute durch die Wahl "grüner" Tarife die Erhöhung der bilanziellen Einspeisung unterstützen.
Welche Rolle spielt Wasserstoff wirklich für das Heizen zu Hause? Antwort: Für Heizzwecke in Gebäuden wird Wasserstoff als deutlich zu teuer und damit wirtschaftlich unrentabel angesehen. Es ist nicht zu erwarten, dass er für die dezentrale Wärmeversorgung eine Rolle spielen wird.
Reicht das regionale Biogas überhaupt aus, um alle angeschlossenen Gebiete der SWRAG zu versorgen? Antwort: Das Unternehmen muss sein Potenzial und seine Beschaffungsstrategie im Rahmen des Transformationsplans nachweisen. Die technische Umwandlung von regional erzeugtem Biogas zu einspeisefähigem Biomethan ist grundsätzlich möglich.
Der offene Dialog unterstreicht die Transparenz des Prozesses und die Bereitschaft, auf die konkreten Sorgen und Fragen der Bürger einzugehen.
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Ausblick: Die nächsten Schritte der Wärmeplanung
Die zweite Informationsveranstaltung hat klare Perspektiven für die Zukunft der Wärmeversorgung in Poppendorf, Roggentin und Thulendorf aufgezeigt. Die Weichen stehen vor allem in Richtung dezentraler Lösungen wie Wärmepumpen und, in den entsprechenden Gebieten, potenziell auf die Nutzung eines transformierten, "grünen" Gasnetzes. Der Bau neuer, großer Wärmenetze ist hingegen unwahrscheinlich.
Der nächste Meilenstein im Prozess ist klar definiert: Bis zum 31. Oktober 2025 soll der Entwurf des Wärmeplans fertiggestellt sein und danach in die Öffentlichkeitsbeteiligung gehen, damit im Anschluss die Gemeindevertretungen darüber abschließend entscheiden können. Dieser Plan gibt Ihnen als Eigentümer die notwendige Sicherheit, um fundierte und langfristige Entscheidungen für Ihre Immobilie zu treffen und sich vor teuren Fehlinvestitionen zu schützen. Alle Bürgerinnen und Bürger sind ermutigt, die bereitgestellten Informationen und die unabhängigen Beratungsangebote aktiv zu nutzen - dies ist nicht nur ein Beitrag zur Gemeinschaft, sondern vor allem eine kluge finanzielle Weichenstellung für die eigene Zukunft.